Autonomes Fahren – Völlig automatisiertes Fahren ohne Fahrer oder Fahrerin


Technische Darstellung eines Autos von oben. Auf das Auto sind fünf Punkte eingezeichnet, die Mittelpunkte eingezeichneter Kreisausschnitte darstellen. Die Kreisausschnitte befinden sich vor, seitlich und hinter dem Auto.

Quelle: istock/Chesky_W

Autonomes Fahren

Vor wenigen Tagen hat der Bundesrat der „Verordnung zur Regelung des Betriebs von Kraftfahrzeugen mit automatisierter und autonomer Fahrfunktion“ zugestimmt. Für autonomes Fahren bedeutet das einen großen Schritt, denn mit dieser Verordnung ist die Zulassung der selbstfahrenden Autos mit gewissen Beschränkungen möglich geworden. Fahren wir also bald autonom? Wie weit ist die Technik überhaupt? Und wo liegt der Unterschied zwischen autonomen und hochautomatisierten Autos? Wir erklären es Ihnen.

Was ist autonomes Fahren?

Unter autonomem Fahren versteht man das selbstständige, also völlig automatisierte Fahren eines Autos ohne Fahrerin oder Fahrer. Übernimmt das Fahrzeug nur einzelne Teilprozesse des Fahrens wie das Lenken oder Beschleunigen, spricht man vom automatisierten Fahren. Für eine bessere Differenzierung der verschiedenen technischen Voraussetzungen unterscheidet man zwischen fünf Leveln.

Die fünf Levels bis zum autonomen Fahren

Level 1 – Assistiertes Fahren

Der erste Level wird allgemeinhin als Assistiertes Fahren bezeichnet und ist Stand heute der am weitesten verbreitete Level auf unseren Straßen. Systeme wie der Tempomat, der automatische Abstandshalter (ACC) oder der Parkassistent zählen beispielsweise dazu. Der Fahrer bekommt bei einzelnen Aspekten also Unterstützung durch eingebaute Systeme, ist aber nach wie vor hauptverantwortlich für das Fahren.

Level 2 – Teilautomatisiertes Fahren

Bei diesem Level können die Fahrzeuge bereits alle Teilaspekte wie Einparken oder Fahren im Stau selbstständig ausführen, indem verschiedene Systeme miteinander agieren. Der Fahrer muss allerdings weiterhin auf den Verkehr achten, um gegebenenfalls eingreifen zu können. Die Hände selbst darf der Fahrer kurz vom Steuer nehmen, wenn das Auto beispielsweise eigenständig einparkt. Level 2-Fahrzeuge sind bereits auf dem Markt erhältlich, beispielsweise die Modelle von Tesla oder die Mercedes S-Klasse mit bestimmter Sonderausstattung.

Level 3 – Hochautomatisiertes Fahren

Fahrzeuge dieser Kategorie sind noch nicht auf unseren Straßen unterwegs, könnten es aber bald sein. Auf diesem hochautomatisierten Level können die Fahrzeuge selbstständig fahren, ohne dabei auf menschliche Eingriffe angewiesen zu sein. Fahrern ist es erlaubt, den Verkehr zeitweilig aus den Augen zu lassen, wenn sie das System aktiviert haben. Bei Problemen informiert das System den Fahrer, der dann unmittelbar eingreifen muss. Für den Einsatz legen die Hersteller Bedingungen fest, die erfüllt sein müssen, damit das System aktiviert werden kann. Autobahnen werden wohl das erste Einsatzgebiet für Level 3-Fahrzeuge sein, da der Verkehr durch Leitplanken getrennt und durch Markierungen geregelt ist.

Level 4 – Vollautomatisiertes Fahren

Die Autonomie der Fahrzeuge ist auf diesem Level bereits sehr groß. Im Prinzip können Level 4-Autos komplett autonom fahren, lediglich bei schwierigen Witterungsbedingungen stoßen sie an ihre Grenzen. Menschen fungieren auf diesem Level nur noch als sogenannte Sicherheitsfahrer, die im Ernstfall eingreifen können. Es ist den Fahrern sogar erlaubt, zu schlafen oder sich anderweitig zu beschäftigen. Tech-Konzerne und Autohersteller arbeiten aktuell daran, solch ein Fahrzeug zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen.

Level 5 – Autonomes Fahren

Der Mensch fällt bei Level 5 sogar als Kontrollinstanz weg. Das Auto dieses Levels fährt absolut autonom und Menschen sind nur noch als Passagiere an Bord. Fahrten sind in diesem Stadium sogar gänzlich ohne Menschen möglich, beispielsweise für logistische Einsätze, in denen nicht das Reisen von Menschen im Vordergrund steht, sondern der Transport von Gütern.

Wie funktioniert autonomes Fahren?

Damit Fahrzeuge autonom agieren können, müssen sie im Straßenverkehr „sehen“ können. Dafür sind eine Vielzahl von Radar- und Lidar-Systemen (Light Detection And Ranging) sowie 360-Grad-Kameras notwendig, die den Autos alle relevanten Daten der näheren Umgebung und des Verkehrs zur Verfügung stellen. Darüber hinaus ist die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander und die mit Verkehrsanlagen wie Ampeln von Bedeutung. Die Car-to-Car-Kommunikation kann das „Sehen“ der Fahrzeuge beispielsweise durch „Data-Sharing“ erweitern, indem vorausfahrende Fahrzeuge Informationen an nachfolgende Fahrzeuge weitergeben. Außerdem können sie so sicherheitsrelevante Daten bezüglich der Geschwindigkeit, Richtungswechseln und Ähnlichem austauschen.

So automatisiert sind unsere Fahrzeuge schon

Weltweit arbeiten große Konzerne, aber auch kleinere Start-Ups an der Entwicklung hochautomatisierter bzw. autonomer Autos. Welche Symbiose Tech-Unternehmen mit Größen der Autobranche eingehen können, zeigt das Beispiel von Intel und Sixt. Die beiden Unternehmen wollen zusammenarbeiten und in München Fahrzeuge des Levels 4 anbieten. Chip-Hersteller Intel ist in diesem Projekt mit dem israelischen Tochterunternehmen Mobileye involviert, das es 2017 für rund 15,3 Milliarden Dollar gekauft hat. Auf die Technik von Mobileye möchte auch der Rhein-Main-Verkehrsverbund zurückgreifen: Ab 2023 will der Verbund gemeinsam mit der Deutschen Bahn On-Demand-Shuttles einsetzen, um die Anbindung von ländlichen Regionen an den ÖPNV zu verbessern.

Pionierarbeit in den USA

Dass das Silicon Valley in diesem Rennen vorne mitmischt, verwundert nicht. In San Francisco sind gleich zwei Unternehmen mit hochautomatisierten bzw. autonomen Taxis an den Start gegangen. Waymo, das Tochterunternehmen von Google, hat ein Taxi auf die Straßen der kalifornischen Großstadt gebracht, dessen Fahrer nur noch dem Level 4 entsprechend als Sicherheitsfahrer fungiert. In Phoenix kommen die Fahrzeuge von Waymo aufgrund des geringeren Verkehrs und der breiteren Straßen bereits ohne Fahrer aus.

Weiter ist hier schon Cruise, ein Unternehmen von General Motors, dessen Taxi auch in San Francisco bereits keinen Sicherheitsfahrer mehr benötigt. Sowohl bei Waymo als auch bei Cruise handelt es sich allerdings noch um exklusive Testangebote für einen ausgewählten Personenkreis, der zudem nur zwischen 23 und 5 Uhr befördert werden darf. Noch ist die Testphase also nicht abgeschlossen, die Prognosen dafür aber optimistisch: In nächster Zeit will Cruise 500 neue Mitarbeiter einstellen und bis 2030 einen Umsatz von 50 Milliarden US-Dollar erwirtschaften.

Deutsche Investitionen in US-amerikanische Start-Ups

Während die Konkurrenten Waymo und Cruise hauptsächlich nachts und bei geringem Verkehr unterwegs sind, darf das Start-Up Argo AI aus Pittsburgh, das zu Ford gehört, mittlerweile auch zu Hauptverkehrszeiten testen. Die Level 4-Fahrzeuge bringt Argo AI mit Unterstützung von VW auf die Straßen von Austin, Miami und Washington. Besonderes Merkmal dieser Fahrzeuge ist der leistungsfähige Lidar-Sensor, der es den Autos ermöglichen soll, bis zu 400 Meter weit zu „sehen“. Eine Testversion des vollelektrischen Bullis ID.Buzz von VW verfügt ebenfalls über dieses System und soll ab 2025 autonom unterwegs sein.

Forschungsprojekte in Deutschland

Deutsche Unternehmen sind aber nicht nur an Joint-Ventures beteiligt, sondern auch mit eigener Forschung auf dem Gebiet des autonomen Fahrens aktiv. Führend ist hier aktuell vor allem Mercedes. Mit dem EQS ist es Mercedes gelungen, als erstes Unternehmen weltweit eine Zulassung für ein Level 3-Auto zu bekommen. Das Modell kann beispielsweise bei Staus und einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 60 km/h eigenständig fahren. Der Konkurrent BMW arbeitet aktuell unter Hochdruck daran, Verkehrsdaten zu sammeln und daraus einen Algorithmus abzuleiten, um hochautomatisiertes Fahren sicher zu machen. Lokal sowie regional gibt es darüber hinaus weitere Forschungsprojekte, die sich mit diesem Thema befassen. Da wäre beispielsweise die TU Chemnitz, wo an der Sensorik geforscht wird, oder das Fraunhofer-Institut in Dresden, das spezielles Scheinwerferglas entwickelt hat, um darin Sensoren unterbringen zu können.

Autonome Robo-Taxis in China

In China arbeitet das große Tech-Unternehmen Baidu, vergleichbar mit Google, an autonomen Fahrzeugen und gilt als einer der führenden Entwickler weltweit auf diesem Gebiet. Die Genehmigung für Testfahrten in Peking ohne Sicherheitsfahrer bekam Baidu bereits im Dezember 2020, seitdem können Robo-Taxis Passagiere durch Peking fahren. Außerdem darf Baidu seit dem April 2022 komplett fahrerlose Autos als Taxis in verschiedenen Metropolen einsetzen; mehr sollen bald folgen. Aber auch andere Tech-Unternehmen wie Huawei, Alibaba und Xiaomi investieren Summen im Milliardenbereich in diese zukunftsträchtige Sparte. Sie wollen wie viele andere Unternehmen selbst keine Autos produzieren, sondern die notwendige Technik, Infotainment und weitere digitale Services anbieten.

Was bedeutet nun der Beschluss des Bundesrats?

Weltweit wird also geforscht und getestet, um autonomes Fahren alltagstauglich zu machen. Für die Realisierung muss aber auch die entsprechende Rechtslage gegeben sein. In diesem Kontext wird die Bedeutung der neuen Verordnung deutlich. Die Verordnung ergänzt das Gesetz vom 28. Juli 2021, das Level 3 auf deutschen Straßen erlaubt. Sie ist zwar keine völlige Neuerung, trägt aber maßgeblich zur Weiterentwicklung der Technik bei. Denn mit der neuen Verordnung werden die rechtlichen Grundlagen für die nächste Stufe, Level 4, gelegt. Sie bestimmt, wo solche Fahrzeuge fahren dürfen und welche Technik verbaut sein muss.

Zudem hat der Bundesrat sein Einverständnis an bestimmte Forderungen geknüpft. D.h., die Bundesregierung muss noch einige Stellen nachbessern, damit die Verordnung auch wirklich verabschiedet werden kann. Der Bundesrat fordert u.a., dass die Betriebsbereiche über Kommunal- und Landesgrenzen klar geregelt sein müssen, dass ein Abgleich mit der StVO erfolgt und dass an die Fahrzeuge strenge Anforderungen gestellt werden, die sonst an Fahrer gerichtet sind. Aber durch den Beschluss des Rats werden manche Aspekte auch einfacher und alltagstauglicher, beispielsweise die aktuell geforderte Abfahrkontrolle vor jeder einzelnen Fahrt. Nach Meinung des Bundesrats reicht hier eine tägliche Kontrolle vor Betriebsbeginn aus.

Vor- und Nachteile des autonomen Fahrens

Aber was soll das überhaupt? Es klingt nach viel Aufwand, um gemütlicher zu fahren – oder? Für die Befürworter des autonomen Fahrens liegen die Vorteile klar auf der Hand. Besonders häufig argumentieren sie mit der Emissionsersparnis durch optimierte Fahrten und der verbesserten Sicherheit. Unfälle und Staus sollen durch die selbstfahrenden Autos der Vergangenheit angehören. Schon bei der Parkplatzsuche entstehen in München jedes Jahr Schäden in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Vernetzte Fahrzeuge bräuchten mithilfe eines digitalen Parkleitsystems nicht mehr nach freien Parkplätzen suchen und würden anschließend allein und vor allem fehlerfrei einparken.

Studien zeigen zudem, dass das Innovationspotenzial besonders in der Logistik zum Tragen kommen würde. Durch autonom fahrende LKW könnten die hohen Personalkosten entfallen. Außerdem hat besonders der englische Markt Anfang des Jahres gezeigt, dass der Mangel an Personal gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Alltagsleben haben kann. Mit autonomen und miteinander vernetzten Transportern wäre diese Gefahr gebannt. Ein häufig hervorgehobener Vorteil ist zudem die freie Zeit, die sich dadurch ergibt, nicht mehr selbst lenken zu müssen. Diese eingesparte Zeit lasse sich für die Arbeit nutzen, man werde noch effizienter.

Kritiker hingegen sagen, dass autonomes Fahren ein unsinniges und sündhaft teures Alternativangebot zum öffentlichen Nah- und Fernverkehr sei. Zudem sei es nicht im Stande, die drängenden Probleme wie die steigende Zahl an Verkehrsteilnehmern und den Platzmangel in den Innenstädten zu lösen. Nach ihrer Ansicht sollten die Investitionen in andere, nachhaltigere Projekte fließen. Nur weil es technisch möglich sei, müsse es nicht umgesetzt werden.

Autonomes Fahren made in Germany

Dass das autonome Fahren hauptsächlich Vorteile mit sich bringt, davon sind die Regierungsparteien in Deutschland überzeugt. Nachdem Deutschland das Wettrennen um die Elektromobilität wegen mangelnder Investitionsbereitschaft und Skepsis bereits frühzeitig verloren hat, scheint das autonome Fahren besonders attraktiv, um auf dem Weltmarkt wieder Vorreiter zu sein. Man strebt nach der „Technologieführerschaft“, wie Bundesverkehrsminister Volker Wissing es nennt. Dieser Strategie folgend investiert die Bundesregierung seit einigen Jahren mehrere Milliarden in die Entwicklung der Technologie. Mit dem „Aktionsplan Forschung für autonomes Fahren“ stellen die Bundesministerien für Bildung und Forschung, für Wirtschaft und Energie und für Verkehr und digitale Infrastruktur den „Forschungsrahmen“ bereit. Dennoch muss Deutschland zunächst aufholen, denn gerade die US-amerikanischen Projekte sind den deutschen Herstellern bereits voraus.

Zukunftsprognose für autonomes Fahren

Die bisherigen Projekte zum autonomen bzw. hochautomatisierten Fahren lassen bereits einige Einsatzmöglichkeiten dieser Fahrzeuge erkennen: On-Demand-Shuttles, Ride-Hailing und private Fahrten. Vor allem die Technik in den Bereichen Parken und Fahren bei niedriger Geschwindigkeit wird wohl in den kommenden Jahren weiterentwickelt, sodass immer mehr hochautomatisierte Fahrzeuge zur Serienreife gelangen. Abhängig ist die Einführung aber auch vom Ausbau der digitalen Infrastruktur, um die Kommunikation der intelligenten Fahrzeuge untereinander aber auch mit Verkehrseinrichtungen wie Ampeln etc. zu ermöglichen. Auch die rechtlichen, versicherungstechnischen und ethischen Grundlagen müssen zum Teil noch geschaffen bzw. angepasst werden. Ersten Studien zufolge werden sich autonome Autos erst ab 2040 im Straßenverkehr durchsetzen. Bis dahin wird wohl Harry weiterhin den Wagen holen müssen.