Steht das Verbrenner-Aus selbst vor dem Aus?


Verbrenner-Aus

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Im Juni 2024 stehen die Wahlen für das EU-Parlament an. Mit diesem politischen Großereignis wird auch ein Thema der Automobilbranche verbunden: das Verbrenner-Aus von 2023. Laut verschiedenen Zeitungen steht das Verbot selbst vor dem Aus. Wir klären, was es mit dem Verbrenner-Aus auf sich hat und ob das Gesetz wirklich vor dem Aus steht.

Das Verbrenner-Verbot von 2023

Am Ende war es eine denkbar knappe Entscheidung, der emotionale Debatten auf sämtlichen Plattformen vorangegangen waren: Mit 340 Stimmen (rund 55 Prozent) dafür und 279 Stimmen (45 Prozent) dagegen stimmte das EU-Parlament Mitte Februar 2023 dafür, dass ab 2035 nur noch PKW neuzugelassen werden, die keine CO2-Emissionen ausstoßen: das Aus für den Verbrennungsmotor. Mit dem Gesetz will die EU einen wichtigen Meilenstein für die Klimaneutralität der EU bis 2050 legen. Das Ziel des Verbrenner-Verbots ist, die CO2-Emissionen neuzugelassener Fahrzeuge bis 2035 auf netto null Prozent zu senken. Eine Zwischenetappe soll 2030 mit 55 Prozent weniger CO2 im Vergleich zum Jahr 1990 erreicht sein. Das Problem: Der Verkehrssektor ist der einzige Bereich in der EU, in dem die CO2-Emissionen seit 1990 weiter gestiegen sind. Das Gesetz richtet sich dabei explizit an die Autohersteller. Die Emissionen ihrer verkauften Fahrzeuge müssen jedes Jahr niedriger ausfallen, das sogenannte Flottenziel. Nicht betroffen sind Fahrzeuge, die bis 2035 zugelassen wurden, sowie deren Weiterverkauf.

Verbrenner-Aus von Beginn an umstritten

Obwohl der Kampf gegen den Klimawandel ein Ziel ist, auf das sich die meisten Parteien mit wenigen Ausnahmen verständigen können, polarisiert die Frage um das „Wie“. So fielen die Reaktionen zum Verbrenner-Aus sehr unterschiedlich aus. Zu den Fürsprechern gehört beispielsweise der Verhandlungsführer im EU-Parlament Jan Huitema, der in dem verabschiedeten Gesetz eine Förderung der aktuellen Marktentwicklungen und eine größere Unabhängigkeit von Drittländern sieht. Ähnlich bewertet auch die SPD das Gesetz, so betont der SPD-Abgeordnete Timo Wölken, dass durch das Verbrenner-Aus mehr Planungssicherheit für die Industrie gegeben sei. Gänzlich anders bewerten Unionspolitiker das Gesetz. Sie fürchten, dass Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen könnten, und fordern, den Markt über klimafreundliche Technologien entscheiden zu lassen. Der FDP-Politiker Jan-Christoph Oetjen ließ gar verlauten, dass „Verbrenner nicht per se klimaschädlich“ seien. Alternative Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, seien die Lösung – doch dazu später mehr. In der Bevölkerung sprach sich 2023 ein Großteil (67 Prozent) gegen das Verbrenner-Verbot aus. Kritiker führen vor allem wirtschaftliche Bedenken an, da sich beispielsweise China als Globalplayer im Bereich der Elektromobilität etabliert hat und vom EU-weiten Verbrenner-Aus profitieren könnte. Zeitgleich hat sich China keinerlei Beschränkungen für den Klimaschutz auferlegt.

Deutscher Widerstand gegen das Verbrenner-Aus

Das eigentlich als beschlossen gegoltene Gesetz stand kurz nach der Abstimmung auf der Kippe. Bundesverkehrsminister Volker Wissing kündigte an, dem Entwurf nicht zuzustimmen, wenn keine Ausnahme für E-Fuels, also klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe, in die Vorlage mit aufgenommen werden. Mit Verweis auf die große Bestandsflotte in Deutschland erklärte er, dass die von der EU gesteckten Klimaziele nur mit E-Fuels zu erreichen seien. Zum Jahresbeginn 2024 waren mit überwiegender Mehrheit Verbrenner in Deutschland zugelassen: rund 35 Millionen Benziner, 14 Millionen Dieselfahrzeuge, 2,9 Millionen Hybride und 1,4 Millionen Elektroautos. Wissing forderte eine Zulassung von Verbrennern nach 2035, die ausschließlich mit E-Fuels fahren, sogenannte E-Fuels-Onlys. Technologieoffenheit sei der Schlüssel zum Erfolg. Rückendeckung bekam er dabei von der VDA. Das Blockieren führte international und national zu Verstimmungen. Die Lösung war schließlich ein Kompromiss: Die Gesetzesvorlage blieb unverändert bestehen. Dafür wurde eine neue Fahrzeugkategorie, die der „E-Fuels-Onlys“, innerhalb der Abgasnorm 6 eingeführt. Zudem wurde ein sogenannter delegierter Rechtsakt zugesichert, der die Anrechnung der E-Fuels-Onlys auf die Flottenzielwerte nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ermöglicht. Doch was hat es mit E-Fuels auf sich?

Was sind E-Fuels?

Im Gegensatz zu herkömmlichen Kraftstoffen wie Benzin und Diesel werden E-Fuels nicht aus Rohöl gewonnen. Für ihre Herstellung wird hauptsächlich Wasserstoff verwendet, der klimaneutral durch regenerativen Strom produziert werden kann und nahezu unbegrenzt zur Verfügung steht. Der für die Elektrolyse verwendete Strom ist übrigens der Namensgeber für den synthetischen, strombasierten Kraftstoff: E-Fuels. Der gewonnene Wasserstoff wird im nächsten Schritt mit Kohlendioxid verbunden. Am Ende dieses Prozesses stehen je nach Verfahren synthetisches Benzin oder synthetischer Diesel. Sofern E-Fuels die Normen für Diesel und Benzin einhalten, können Verbrennerfahrzeuge mit ihnen betankt werden. Umfangreiche Tests der Autohersteller stehen aber noch aus.

Sind E-Fuels die Lösung?

Angesichts der angestrebten Klimaneutralität – im deutschen Straßenverkehr übrigens bereits 2045 – und des großen Bestands an Verbrennern in Deutschland, ist der Ruf nach emissionsfreien Kraftstoffen nachvollziehbar. Das sieht auch der Bund so und stellte seit 2021 insgesamt 1,54 Milliarden Euro für die Forschung, Förderung und Infrastrukturmaßnahmen bereit. Für E-Fuels sprechen ihre vergleichsweise saubere Verbrennung und klimaneutrale Herstellung. Zudem können sie über herkömmliche Tankstellen zur Verfügung gestellt werden. Problematisch hingegen ist ihr schlechter Wirkungsgrad: Mit dem für die Herstellung von E-Fuels verwendeten Strom könnte man mehr Elektroautos laden als mit den produzierten E-Fuels. Der Verband der Elektrotechnik gibt an, dass der Strom einer Windkraftanlage mit 3 Megawatt Leistung für die Ladung von 1.600 Elektroautos, aber nur für das Betanken von 250 E-Fuels-Fahrzeugen ausreichen würde. Hinzu kommt, dass E-Fuels auf absehbare Zeit in keiner ausreichenden Menge für den PKW-Verkehr zur Verfügung stehen werden. Sie sollen hauptsächlich für den Schiffs- und Flugverkehr genutzt werden, weil deren Elektrifizierung nicht ohne Weiteres möglich ist – die des PKW-Verkehrs hingegen schon. Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung geht zudem davon aus, dass die Produktion bis 2035 nicht einmal für den Schiffs- und Flugverkehr ausreichen wird.

Zeichen stehen auf Strom: Hersteller stellen Verbrennerproduktion ein

Die gewünschten Emissionswerte können aktuell nur durch Elektro- und Wasserstoffautos erzielt werden. Und genau auf deren Förderung zielte das Verbrenner-Verbot 2023. Die Technologieoffenheit, die Bundesverkehrsminister Wissing zugunsten neuer E-Fuels-Onlys fordert, wird zum Teil von den Automobilherstellern ad absurdum geführt. Denn die meisten Hersteller haben bereits den vollständigen Umstieg von Verbrennern auf E-Autos terminiert und eingeleitet. Volkswagen verkündete, den Umstieg zwischen 2033 und 2035 zu vollziehen, zumindest in Europa. 2035 ist auch das gesetzte Ziel von Audi. Opel hingegen plant, schon 2028 nur noch E-Autos anzubieten. Unklar ist, wann Mercedes voll elektrisch unterwegs sein möchte. Ursprünglich war 2039 angedacht, doch die Marktentwicklungen drängen zu einem rascheren Vorgehen. Nun soll die Produktumstellung auf reine E-Autos bereits fünf bis acht Jahre eher vollzogen sein. Auch die Hersteller außerhalb Deutschlands verfolgen eine klare Verbrenner-Exit-Strategie: Vorreiter DS will bereits in diesem Jahr nur noch E-Autos verkaufen. Fiat, Bentley, Volvo, Cadillac und Ford planen den Verkaufsstopp von Verbrennern für 2030, Mini für 2031, General Motors für 2035 und Honda für 2040. Eine Ausnahme stellt BMW dar. Zwar plant der Konzern, ab 2027 nur noch Elektroautos in seinem Münchener Werk zu bauen, aber der vollständige Produktionsstopp von Verbrennern in den anderen Werken ist bisher nicht terminiert. Möglicherweise eine gute Entscheidung, falls das Verbrenner-Aus kippt?

Verbrenner-Aus vor dem Aus?

Die Debatte über ein mögliches Aus des Verbrenner-Verbots nahm mit einem Artikel der österreichischen „Kronen Zeitung“ Fahrt auf. „Von der Leyens Umfaller: Verbrenner-Aus vor Ende“ lautete die aufsehenerregende Schlagzeile Anfang März 2024. Hintergrund des Artikels war eine Abstimmung der Europäischen Kommission am Tag zuvor. Die dort beschlossene Gesetzesvorlage sieht vor, die Emissionsbilanz von E-Autos nicht wie bisher pauschal mit null Gramm CO2 auszuweisen. In die neue Bewertung sollen nun auch die Emissionen einfließen, die bei der Stromerzeugung und -übertragung entstehen. Unberücksichtigt bleiben hingegen die Emissionen, die bei der Produktion und der Entsorgung der Fahrzeuge entstehen, wie Kritiker bemängeln. Ob diese Vorlage Auswirkungen auf das Verbrenner-Aus hat, ist noch völlig offen, auch wenn Gegner des Verbrenner-Aus bereits dessen Untergang besingen. 2026 soll der bisherige Beitrag von Elektroautos für das Erreichen der Klimaneutralität bewertet werden. Erst dann wird man sehen, ob die neu berechnete Emissionsbilanz für das Aus des Verbrenner-Verbots sorgen wird.

Studie: E-Autos ab 90.000 Kilometern klimafreundlicher

Die Aussagen über die Klimafreundlichkeit von Elektroautos und Verbrennern unterscheiden sich zum Teil deutlich, wie die aktuelle Debatte über das Aus des Verbrenner-Aus zeigt. Deshalb hat der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) die Emissionsbilanz der verschiedenen Antriebsarten in einer Studie untersucht. In die Untersuchung zog der VDI auch die bei der Produktion entstehenden Emissionen ein. Als Fazit zieht der VDI, dass Elektroautos ab 90.000 Kilometern Laufleistung klimafreundlicher als Verbrenner sind. Werden sie mit Ökostrom betankt, sind sie bereits nach 65.000 Kilometern klimafreundlicher. Vor allem bei der Batterieherstellung sowie bei den Handelswegen sei noch Luft nach oben. In Anbetracht der großen Bestandsflotte sei der Umstieg auf Elektroautos nicht ausreichend, um das Klimaziel zu erreichen. E-Fuels seien daher ein Teil der Lösung. Wie groß der Anteil am Gesamtziel ist, sei aber noch nicht absehbar, da die Produktion der E-Fuels nicht gesichert sei.

Fazit

Die erneute Debatte um das Verbrenner-Aus zeigt, wie bedeutend und zum Teil emotional die Debatte ist. Ökologische Sorgen stehen wirtschaftlichen Bedenken gegenüber. Die Studie des VDI hat gezeigt, dass Elektrofahrzeuge trotz einer allumfassenden Analyse ihrer Emissionsbilanz elementar für das Erreichen der Klimaziele sind, ihr Wirkungsgrad aber von Infrastruktur und erneuerbarer Energie abhängig ist. Die neue Gesetzesvorlage der EU-Kommission bedeutet keine Abkehr vom Verbrenner-Verbot. Zumal sich die Hersteller bereits größtenteils auf das Ende der Produktion von Verbrennern eingestellt haben. Damit ist das Verbrenner-Aus nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich beschlossen. Hinzu kommt, dass E-Fuels nur theoretisch eine Rolle für das Erreichen der Klimaneutralität spielen. Da ihre Produktion aktuell mehr als fraglich ist, werden sie wohl kaum den Verbrenner über die Zäsur 2035 retten – auch wenn Bundesverkehrsminister Volker Wissing die Hintertür dafür geöffnet hat. Was die Lösung sein wird, bleibt abzuwarten, doch das Ziel steht: emissionsfreier Straßenverkehr bis 2050.