Das digitale Auto – Warum die digitale Revolution gerade erst begonnen hat


Im Vordergrund weibliche Hände, die linke Hand hält ein Lenkrad, die rechte Hand bedient einen visuellen Touchscreen in der Mitte des Cockpit eines PKWs. Durch die Front- und Seitenscheibe des PKWs unscharf im Hintergrund Wolkenkratzer-Gebäude. Im Außenspiegel der Fahrerseite unscharf grünes Blattwerk.

Quelle: istock/metamorworks

Das digitale Auto

Wie die Digitalisierung unsere Automobilität verändert und warum die digitale Revolution gerade erst begonnen hat

Seit der Erfindung des Internets hat sich unser Alltag grundlegend verändert. Alles wird digital und ist miteinander vernetzt. Auch in der Autobranche hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Wir haben die wichtigsten Entwicklungen der digitalen Angebote für Sie zusammengestellt. Außerdem verraten wir Ihnen, was hinter der neuen Over-the-Air-Technologie steckt und warum sie zurecht als die Zukunft der Automobilität gilt.

Digital mit dem Auto ans Ziel: Google Maps und Co.

Über verschiedene Apps erhielt die Digitalität Einzug in die Automobilität. Alternative Navigationssysteme in Form von Handy-Apps wie Google Maps gehören sicherlich zu den Klassikern. Speziell Google hat diesen Service über die letzten Jahre verbessert und ausgebaut. Mit „Android Auto“ steht außerdem ein Tool von Google zur Verfügung, das Google Maps, aber auch andere Apps direkt in das Infotainmentsystem des Autos einbindet. Durch diese Funktion brauchen Nutzer nicht mehr auf ihr Handy schauen und können Google Maps und andere Apps über das Lenkrad bzw. den Touchscreen des Autos bedienen. Abstriche müssen Apple-Nutzer diesbezüglich aber nicht machen, denn auch Apple bietet mit „Carplay“ eine App mit ähnlichen Funktionen an.

Digitale Helfer für Autofahrer: Handy-Apps

Darüber hinaus gibt es eine unüberschaubare Anzahl an Apps, die das Fahrerlebnis im Auto erleichtern und komfortabler machen sollen. Zu nennen sind hier beispielsweise die Apps, die Auskunft über verfügbare Ladepunkte für E-Autos geben. Apps wie „Chargemap Pass“ bieten noch viele zusätzliche Funktionen: eine Routenplanung, Infos über die vorhandene Ladetechnik (Anschluss und Geschwindigkeit), eine Preisübersicht sowie eine universelle Bezahlfunktion für verschiedene Ladenetzanbieter. In eine ähnliche Richtung gehen Tankstellen-Apps wie „Benzinpreis-Blitz“ und „Clever-tanken.de“, die die günstigste Tankstelle in der Nähe anzeigen.  „EasyPark“ oder auch „ParkNow“ zeigen nicht nur den Weg zu Parkplätzen, sondern übernehmen über die integrierte Bezahlfunktion das lästige Parkticketziehen. Das mittlerweile sehr nachgefragte Car-Sharing lässt sich unkompliziert über Apps wie „Share Now“ oder „Flinkster“ organisieren. Und im Schadenfall lassen Apps wie die „ADAC Pannenhilfe“ Sie nicht im Stich. Die Liste nützlicher Apps ließe sich ohne Ende fortsetzen, aber schon jetzt wird deutlich: Die Digitalität der Automobilität beginnt mit Apps.

Digitale Sprachsteuerung im Auto

Ein großes Thema im Bereich Sicherheit ist die Bedienung von Radio, Klimaanlage und Ähnlichem während der Fahrt. Schon ein kurzer Blick vom Verkehr zu den Bedienfeldern lenkt ab und kann zu Unfällen führen. Aus diesem Grund kommt digitalen Sprachassistenten eine sicherheitsrelevante Bedeutung zu. Der Komfort, den sie bieten, dürfte dennoch der Hauptverkaufsgrund sein. Aktuell gibt es drei Varianten, um sein Auto mit smarten Sprachassistenten auszustatten. Die Low-Budget-Version ist die Nutzung des Handy-Sprachassistenten im Auto für Anrufe oder die Steuerung des Musikstreams. Eine weitere Möglichkeit ist die Nachrüstung mit einem „Echo Auto“ von Amazon, wodurch die bekannte „Alexa“ bei Ihnen mitfährt. Am komfortabelsten und elegantesten sind sicherlich bereits ab Werke integrierte Sprachassistenzsysteme, die aber auch einen entsprechenden Aufpreis mit sich bringen. Die Entwicklung der Sprachassistenten schreitet aufgrund ihrer stetig steigenden Popularität weiter voran. Ziel der Entwickler ist es, ein Nutzererlebnis zu schaffen, das einem Gespräch mit realen Personen gleichkommt.

Autos per Mausklick kaufen – der digitale Autokauf kommt

Internetseiten, die sich der Automobilbranche widmen, dürften so alt wie das „World Wide Web“ selbst sein. Doch wie die Branche selbst, machen auch diese Seiten einen Wandel durch, angetrieben von neuen Entwicklungen und Möglichkeiten. So bieten die großen Online-Plattformen für den Verkauf von Gebrauchtwagen mittlerweile nicht mehr nur einfache Inserate, sondern direkte Online-Käufe an – Autokauf per Mausklick. Dabei handelt es sich in der Regel noch um limitierte Angebote, um die Prozesse zu testen und die Nachfrage auszuloten. Die Prognosen für die Online-Verkäufe dürften diese Entwicklung jedoch weiter befeuern. Einer Analyse McKinseys zufolge steigt der Umsatz von online verkauften Gebrauchtwagen bis 2025 auf 10 Milliarden Euro.

Over-the-Air: die digitale Revolution der Autobranche

Kaum ein anderes Thema mit Ausnahme der Elektromobilität steht so sehr für die Neuausrichtung der Automobilindustrie wie die Over-the-Air-Technologie (OTA). Über dieses System ist es möglich, Softwareupdates für Autos digital und ohne Werkstattbesuch (daher „Over the Air“) aufzuspielen. Der größere Nutzen besteht aber vor allem darin, dass Zusatzfunktionen wie beispielsweise die Sitzheizung nachträglich freischaltbar sind. Als Grundlage dienen modulare Softwaresysteme, mit denen alle Fahrzeuge eines Herstellers dieselbe Software erhalten. Das bedeutet, dass alle Funktionen (Sitzheizung, Autonomes Fahren etc.) bereits installiert, aber noch nicht freigeschaltet sind. Diese kostenpflichtigen Freischaltungen erfolgen erst auf Wunsch des Kunden. Für die neuen Funktionen müssen teilweise Abonnements abgeschlossen werden. Damit folgt die Automobilindustrie letztlich einem Trend, der bereits viele Lebensbereiche erfasst hat: der Wechsel vom Kauf zum Abo. Immer mehr Produkte sind nicht mehr durch einen einmaligen Kauf, sondern nur noch durch den Abschluss eines Abos erhältlich. Warum ziehen die Autohersteller nun nach?

Studie zeigt: digitale Ausstattung von Autos kaufentscheidend

Die umfassende Neuausrichtung der Verkaufsstrategie basiert auf dem veränderten Interesse der Kunden. Standen in den letzten Jahren Aspekte wie die Motorleistung im Vordergrund des Käuferinteresses, ist dies mittlerweile die digitale Ausstattung. Kern ist hier die installierte Software, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Unter anderem muss eine moderne Software anpassungsfähig sein und seinen Nutzern Flexibilität – Stichwort „Functions on demand“ – bieten. Darüber hinaus ist vor allem die vielseitige Konnektivität der Software kaufentscheidend: Welche Endgeräte lassen sich problemlos koppeln und wie sieht die Einbindung aus? Wie groß die Bedeutung der Software ist, wird am Beispiel Teslas deutlich: Prognosen für den Tech-Giganten vermuten, dass Tesla in wenigen Jahren mehr Umsatz mit seinen Softwares, als mit den dazugehörigen Autos machen wird. Und auch der ehemalige VW-Chef Diess ließ mit seiner Vorhersage aufhorchen, dass die digitalen Angebote bis 2030 rund ein Drittel des Gewinns ausmachen werden.

Neue Verkaufsstrategie zielt auf digitale Autos

Angesichts dieser Prognosen ist es also kein Wunder, dass auch die deutschen Autohersteller ihre Verkaufsstrategien neuausrichten und auf die Digitalisierung der Fahrzeuge fokussieren. Dabei verspricht die OTA-Technologie, den Konzernen gleich in mehrfacher Hinsicht Geld einzubringen. Zum einen können die Autohersteller ihre Produktion vereinfachen, da wegen der „Functions on demand“ alle Autos im Grunde dieselbe Ausstattung erhalten. Zum anderen sorgt OTA dafür, dass auch nach dem Autoverkauf weitere Einnahmen fließen, die es in dieser Form bisher nicht gab. McKinsey prognostiziert einen zusätzlichen Gewinn von 260 Euro pro Auto. Über die Abonnements bindet man Kunden zudem längerfristig, als das Einzelverkäufe tun könnten. Allerdings bedeutet die neue Verkaufsstrategie, dass die Konzerne noch stärker in die Entwicklung von IT-Systemen investieren müssen, um nicht von den großen Tech-Konzernen überrollt zu werden. Experten warnen bereits davor, dass die Autohersteller zu einfachen Zulieferern für die Software-Produzenten herabsinken könnten.

Flexibler durch digitale Autos – die Vorteile von OTA

Manche Experten sehen in der OTA-Technologie die größte Revolution der Autobranche seit der Erfindung des Autos. Dies liegt insbesondere daran, dass sich die Fahrzeugausstattung nachträglich, per Knopfdruck und ohne Werkstattbesuch ergänzen lässt. Fahrzeughaltern bietet sich dadurch eine nie dagewesene Flexibilität. Sie müssen sich beim Autokauf nicht mehr verbindlich für bzw. gegen bestimmte Sonderausstattungen entscheiden. Manche im Nachhinein bereuten Entscheidungen lassen sich nun durch die Zubuchung der gewünschten Sonderausstattung rückgängig machen. Bei veränderten Lebensumständen kann bei Bedarf beispielsweise eine größere Reichweite des E-Autos nachgebucht werden. Aber auch zeitlich limitierte Funktionen können in nichtalltäglichen Situationen für Käufer interessant sein. Benötigt man beispielsweise eine größere Reichweite des E-Autos nur für die Fahrt in den Urlaub, kann sich eine zeitlich begrenzte Zubuchung lohnen. Von der neuen Flexibilität profitieren auch zukünftige Käufer von Gebrauchtwagen, die nicht mehr auf die Ausstattungsauswahl des ursprünglichen Halters angewiesen sind.

Das kostet die digitale Nachrüstung per Over the Air

Die hinzubuchbaren Funktionen sind zahlreich. VW bietet zum Beispiel stundenweises Autonomes Fahren für den ID.3 und den ID.5 an. Die Kosten belaufen sich auf sieben Euro pro Stunde. Andere Zusatzfunktionen sind preislich nach Laufzeit gestaffelt. Für die nachträgliche Freischaltung der Sitzheizung berechnet BMW beispielsweise 17 Euro pro Monat, 170 Euro pro Jahr bzw. 385 Euro für die Freischaltung ohne Vertragslaufzeit. Möchte man das Navi in seinem Audi freischalten lassen, muss man 600 Euro pro Jahr oder 3000 Euro für eine unbegrenzte Nutzung bezahlen. Wieder andere Funktionen können nur unbefristet freigeschaltet werden, so zum Beispiel der automatische Abstandshalter inkl. Geschwindigkeitsanpassung bei BMW für 880 Euro. Obwohl die neue Unverbindlichkeit beim Autokauf verlockend ist, kann die nachträgliche Freischaltung der OTA-Funktionen teurer sein als die direkte Bestellung beim Autokauf.

Digitales Kennzeichen

Dass die Digitalisierung wirklich allumfassend ist, zeigt ein Beispiel aus den USA. Hier sind in mittlerweile vier Staaten digitale Kennzeichnen zugelassen. Neben Personalisierungsmöglichkeiten – dunkle Schrift, heller Hintergrund oder umgekehrt – liegen die Vorteile vor allem in der dazugehörigen App. Sie bietet u.a. die digitale Registrierung des Autos, eine Auswertung der Fahrt sowie eine GPS-Ortung. Bei einem Autodiebstahl kann der Nutzer diesen per App melden; auf dem Kennzeichen erscheint dann der Schriftzug „stolen“ (gestohlen). Der einzige zugelassene Hersteller der digitalen Kennzeichen ist Reviver. Die Firma versteht es, dieses Monopol auszunutzen, und bietet das digitale Kennzeichen, die „RPlate“, über ein Abo mit einer Mindestlaufzeit von vier Jahren an. Die monatlichen Kosten belaufen sich auf 20 Dollar für ein Modell mit Akku und auf 25 Dollar für eins mit Kabelbetrieb. Ob digitale Kennzeichen in naher Zukunft auch auf deutschen Straßen zum Einsatz kommen, darf wegen der strengeren Straßenverkehrsordnung bezweifelt werden.

Autoversicherungen werden digital

Das digitale Angebot im Bereich der Automobilbranche beschränkt sich nicht nur auf den Fahrkomfort, den Autokauf oder die Mobilität im Allgemeinen. Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung stellen auch Autoversicherungen ihre Prozesse um und bieten ihren Kunden digitale Tools, um im Schadenfall möglichst zeitnah und unkompliziert Schäden melden zu können. Mithilfe eigener Apps ermöglichen sie es, Unfallberichte und Fotos vom Unfallort quasi in Echtzeit weiterzugeben. Die Abwicklung kann so entsprechend verkürzt und vereinfacht werden.

Fazit

Mitten in der Mobilitätswende erreicht uns schon die nächste Revolution: die völlige Digitalisierung des Autos. Alltägliche Helfer wie die Sprachassistenzsysteme und die zahlreichen Apps, die uns durch den Großstadtdschungel zum nächsten Parkplatz oder zur nächsten Ladestation bringen, sind praktisch. Doch die Over-the-Air-Technologie führt uns in gänzlich andere Dimensionen. Die Nachkonfigurierung des Autos per Knopfdruck ist in der Tat revolutionär. Erste Stimmen mahnen jedoch, dass die Preise durch die generell verbaute Sonderausstattung in die Höhe schießen könnten. Doch wenn sich die neue Technologie erst einmal etabliert hat, sollte sich auch das Preisniveau normalisieren. Solche Dinge benötigen Zeit und wir stehen erst am Anfang, doch der Umbruch der Autobranche hat begonnen. Die Zukunft des Autos ist digital.