Alternative Wasserstoffauto – Warum wird darüber so wenig gesprochen?


Foto eines weißen PKW aus der Froschperspektive. Auf der Fahrerseite zieht sich ein türkiser Schriftzug "Zero Emission H2". Das Fahrzeug steht einer Wasserstoff-Zapfsäule und wird gerade aufgetankt. Im Hintergrund sieht man einen blauen Himmel mit weißen Schleierwolken.

Alternative Wasserstoffauto

Alternative Wasserstoffauto – warum wird darüber so wenig gesprochen?

Nachdem verschiedene Bewegungen zu Beginn des Jahres mediale Aufmerksamkeit für den Klimawandel generieren konnten, geriet das Thema aufgrund der Corona-Pandemie scheinbar in den Hintergrund. Nichtsdestotrotz bleiben der Klimawandel und die Feinstaubbelastung durch PKW und LKW in den Städten ein gesellschaftliches Thema von höchster Priorität. Als Garant für eine emissionsfreie Fortbewegung wird mittlerweile vor allem die Elektromobilität favorisiert und weiterentwickelt, wie wir in unserem letzten Beitrag gezeigt haben. Tatsächlich gibt es aber auch andere Technologien, die mit ihrer vermeintlichen Umweltfreundlichkeit beworben werden, im öffentlichen Diskurs jedoch nur eine Nebenrolle spielen. Dazu zählen Brennstoffzellen-Autos, auch Wasserstoffautos genannt.

Wie funktioniert die Technik?

Unter Elektroautos werden landläufig Plug-in-Hybride und batteriebetriebene Fahrzeuge (BEV = Battery Electric Vehicles) verstanden, doch auch Brennstoffzellen-Autos (FCEV = Fuel Cell Electric Vehicle) werden elektrisch betrieben. Für den Strom sorgt die namensgebende und im Auto verbaute Brennstoffzelle, die durch einen ebenfalls verbauten Tank mit Wasserstoff versorgt wird. Der für den Antrieb benötigte Strom wird in dieser Brennstoffzelle durch eine chemische Reaktion, die umgekehrte Elektrolyse, gewonnen. Daran beteiligt sind zum einen Wasserstoff und zum anderen Sauerstoff, der aus der Umgebungsluft entnommen wird.

Während der Reaktion entstehen Wasser, Wärme und eben elektrische Energie, die den Elektromotor antreibt. Als Emission wird lediglich Wasserdampf abgegeben, weshalb Brennstoffzellen-Autos zumindest in diesem Aspekt als klimaneutral gelten. Sie verfügen zudem über eine Batterie, die als Zwischenspeicher überschüssige Energie aufnimmt, um diese bei einer höheren Belastung, beispielsweise beim Beschleunigen, abgeben zu können. Da sie nur als Puffer dient, ist sie deutlich kleiner und leichter als bei reinen Elektrofahrzeugen. Genau wie Plug-in-Hybride und batteriebetriebene Fahrzeuge können Brennstoffzellen-Autos Bewegungsenergie durch Rekuperation zurückgewinnen.

Alternative Wasserstoffauto ist nicht neu!

Der Antrieb durch eine mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle ist nicht neu. Das Prinzip selbst wurde bereits 1838 von Christian Friedrich Schönbein entdeckt. Im Oktober 1959 wurde das erste Fahrzeug mit dieser Antriebstechnik vorgestellt: der 20 PS starke Allis-Chalmers-Brennstoffzellentraktor aus Wisconsin, USA, der heute im National Museum of American History ausgestellt ist. 1966 stellte General Motors mit dem GM Electrovan schließlich das erste mit dieser Technik ausgestattete Auto vor. Auch auf anderen Anwendungsgebieten wurde experimentiert, so wurde der Brennstoffzellen-Antrieb u. a. in Flugzeugen, Bussen, LKW, Gabelstaplern und Booten eingesetzt. In NRW verliefen erste Versuche mit im Nahverkehr eingesetzten Brennstoffzellen-Bussen positiv. Seit 2011 verkehren zwei solcher Busse in Köln, seit Ende 2019 werden weitere 35 Busse des niederländischen Herstellers Van Hool in Dienst gestellt. In Wuppertal sollen in nächster Zeit zehn dieser Busse in Betrieb genommen werden. Im Fernverkehr sind die Unternehmen ebenfalls gezwungen, sich nach alternativen Antriebstechniken umzusehen, denn laut einer neuen EU-Verordnung sollen die von LKW abgegebenen Emissionen bis 2030 um 30 Prozent im Vergleich zu 2019 sinken.

Viele Hersteller dieser Branche geben dem Brennstoffzellen- Antrieb gegenüber dem batteriebetriebenen den Vorzug, da letzterer große wie schwere Batterien mit sich bringt und nur geringe Reichweiten ermöglicht. LKW mit Brennstoffzellen- Antrieb sollen mit einer Tankfüllung hingegen bis zu 1000 Kilometer fahren können, wie Gerrit Marx von Iveco erklärt. In dieser Ansicht vereint, arbeiten mittlerweile diverse Big Player der Branche in Joint Ventures und anderen Kooperationen zusammen, um die Entwicklung wasserstoffbetriebener LKW voranzubringen. Auch die Bundesregierung schätzt die Bedeutung von Wasserstoff für eine nachhaltige Energiewende hoch ein und stellte im Mai 2020 die „Nationale Wasserstoffstrategie“ vor, die nicht zuletzt deshalb so vehement vertreten wird, weil die Batterie-Entwicklung und -Produktion asiatischen Herstellern überlassen und der Anschluss mittlerweile verloren wurde.

Wie umweltfreundlich ist die Alternative Wasserstoffauto?

Brennstoffzellen-Autos sind lokal klimaneutral und bieten sich deshalb als umweltfreundliche Alternative für Verbrenner an. Für die Ökobilanz dieser Fahrzeuge ist allerdings auch die Herstellung von Wasserstoff entscheidend. 98 Prozent des weltweiten Wasserstoffbedarfs wird aus Kohlenstoffen wie Erdgas, Erdöl und Kohle gewonnen. Andererseits lässt sich Wasserstoff auch durch den per se klimaneutralen Prozess der Elektrolyse herstellen, wofür Strom und Wasser benötigt werden. Unter diesen Bedingungen lässt sich Wasserstoff theoretisch überall herstellen, sogar an Tankstellen. In Kombination mit einer gut ausgebauten Infrastruktur könnten so lange Transportwege verkürzt werden bzw. gänzlich entfallen. Dies würde wiederum in einer besseren Ökobilanz der Brennstoffzellen-Autos resultieren.

Voraussetzung für eine klimaneutrale Bilanz ist die Nutzung von Strom aus nachhaltigen Quellen. Eine weitere Methode für die Gewinnung von Wasserstoff ist ganz im Sinne des in Mode gekommenen Upcyclings. Wasserstoff fällt in der Industrie als Nebenprodukt an und könnte für die Betankung von Brennstoffzellen-Autos genutzt werden. Das Onlineportal mobil.nrw gibt an, dass in der Region um Köln jährlich mehrere Milliarden Kubikmeter Wasserstoff als Abfallprodukt entstehen. Von diesen lasse sich wiederum eine Milliarde als Treibstoff nutzen, was für die Betankung von 1.000 Bussen ausreiche.

Produktion und Transport des Brennstoffes ist zu energieaufwendig!

Während das Problem der Stromerzeugung auch andere E-Autos betrifft, haben Brennstoffzellen-Autos ein negatives Alleinstellungsmerkmal hinsichtlich des Gesamtwirkungsgrades der Energiekette. Die Produktion von Wasserstoff ist ebenso wie der Transport des Brennstoffes zu den Tankstellen (Kühlung und Kompression) äußerst energieaufwendig. Dementsprechend stehen – in Relation gesehen – nur wenige gefahrene Kilometer einem enormen Energieaufwand gegenüber. Experten gehen davon aus, dass lediglich 15–25 Prozent der insgesamt aufgewendeten Energie für die tatsächliche Fahrt genutzt werden. Bei batteriebetriebenen Autos beläuft sich der Wirkungsgrad auf etwa 70 Prozent.

Warum ist die Alternative Wasserstoffauto kaum gefragt?

Angesichts des Potenzials, eine klimafreundliche Alternative zu bieten, stellt sich die Frage, warum bisher nur wenige Brennstoffzellen-Autos verkauft wurden. Anfang 2019 wurden nur 392 Fahrzeuge in Deutschland zugelassen. Dem gegenüber standen 83.175 Hybrid- und Batterieautos, deren Zahl sukzessiv steigt. Ein wesentliches Problem sind die wenigen Tankstellen, die potenziellen Nutzern zur Verfügung stehen. Momentan existieren in Deutschland nur 84 Wasserstofftankstellen, die vor allem in und um große Metropolen zu finden sind. In den Nachbarländern sieht es sogar noch ernüchternder aus: Frankreich und Österreich haben jeweils nur fünf Tankstellen, die Niederlande vier, die Schweiz drei und Belgien zwei. In Deutschland soll die Infrastruktur in naher Zukunft weiter ausgebaut werden. 2021 sollen 130 Tankstellen zur Verfügung stehen, 2025 sollen es bereits 400 sein. Ebenfalls abschreckend wirken die Spritpreise. Für 100 Kilometer wird ungefähr ein Kilogramm Wasserstoff benötigt, das aktuell 9,50 Euro kostet; die vergleichbare Menge Strom für batteriebetriebene Fahrzeuge kostet hingegen nur halb so viel.

Keine staatliche Förderung für die meisten Wasserstoffautos

Hinzu kommt, dass bereits die Anschaffung eines Brennstoffzellen-Autos ein teures Vergnügen ist; zwischen 70.000 und 80.000 Euro müssen in Deutschland für ein Fahrzeug dieser Art investiert werden. Mit diesen Preisen wird außerdem die förderungsfähige Obergrenze von 60.000 Euro überschritten, sodass auch staatliche Förderungen nicht in Anspruch genommen werden können. Das Leasen eines Brennstoffzellen-Autos bewegt sich ebenfalls in einem hohen Preissegment, so kostet der Mercedes GLC F-CELL beispielsweise rund 800 Euro pro Monat. Die hohen Preise ergeben sich aus der geringen Nachfrage, die keine Serienproduktion zulässt und manufakturähnliche Herstellungsprozesse nach sich zieht. Die geringe Nachfrage wiederum resultiert aus der desolaten Infrastruktur, die aufgrund des mangelnden Interesses nur zögerlich ausgebaut wird. Ein Teufelskreis für die Alternative Wasserstoffauto.

Mäßiges Engagement der Autohersteller für die Alternative Wasserstoffauto!

Ein weiteres Problem ist das nur mäßige Engagement der Autohersteller für die Alternative Wasserstoffauto. Zwar haben die meisten von ihnen eigene Pilotprojekte gestartet, aber häufig genug innerhalb weniger Jahre wieder eingestellt. Auf dem Markt werden zurzeit lediglich fünf Modelle angeboten. Dazu gehören der Hyundai NEXO und der Hyundai ix35, der Toyota Mirai und der Mercedes-Benz GLC F-CELL sowie der Honda Clarity Fuel Cell. Letzteres Modell ist allerdings nicht in Deutschland lieferbar. Die von den jeweiligen Herstellern angegebenen Reichweiten liegen zwischen 478 (Mercedes-Benz GLC F-CELL) und 756 Kilometern (Hyundai NEXO) und damit deutlich über denen der batteriebetriebenen Fahrzeuge.

Nur mithilfe besonders großer Batterien können diese annähernd ähnliche Reichweiten erzielen. Auch auf dem Gebiet der Lade- bzw. Tankgeschwindigkeit können Brennstoffzellen-Autos punkten, ist der rund 4,4 Kilogramm fassende Wasserstofftank (GLC F-CELL) doch in rund fünf Minuten gefüllt, während die Ladezeit der batteriebetriebenen Autos zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden liegt. Hinsichtlich der sportlichen Fahrdynamik, die durch das stets zur Verfügung stehende volle Drehmoment der Elektromotoren ermöglicht wird, sind beide Fahrzeugtypen gleichauf.

In den aktuellen Brennstoffzellen-Autos wird der Wasserstoff gasförmig in den Tanks gelagert. Frühere Modelle, wie der BMW Hydrogen 7, nutzten flüssigen Wasserstoff, da ein gewöhnlicher Kolbenmotor angetrieben werden sollte. Problematisch dabei war, dass sich der Wasserstoff zwangsläufig erwärmte und verdampfte, wodurch der Druck im Tank fortwährend stieg. Um für einen Ausgleich zu sorgen, musste der Dampf abgelassen werden, wenn er nicht für den Antrieb genutzt wurde. Der dadurch entstandene Verlust war erheblich, denn der Tank leerte sich bei Nichtbenutzung innerhalb weniger Tage. Durch die Nutzung des gasförmigen Aggregatzustandes kann diesem Problem Abhilfe verschafft werden. Der einzige Verlust (rund 12 Prozent) entsteht hier nur noch bei der Komprimierung.

Unbegründete Angst vor ausgelösten Explosionen

Ähnlich wie der Elektrizität um 1900 wird auch den Brennstoffzellen-Autos mit Argwohn begegnet, da man diffuse Sicherheitsbedenken hegt. Doch die Technik kann als sicher gelten, zumal strenge Auflagen bestehen, die vor der Markteinführung eines Modells erfüllt sein müssen. Diese berühren beispielsweise die Widerstandsfähigkeit des Wasserstofftanks hinsichtlich des Drucks und bei Unfällen. Die Furcht vor durch Wasserstoff ausgelösten Explosionen ist zudem unbegründet, denn in der Regel verflüchtigt sich das Gas an der Luft aufgrund seiner geringen Dichte schnell. Für eine explosive Reaktion müssen erst besondere Voraussetzungen, wie abgeschlossene Hohlräume, bestehen. Tests an der University of Miami zeigten 2003 außerdem, dass Brennstoffzellen-Autos einen Leitungsdefekt relativ unbeschadet überstehen, da der Wasserstoff innerhalb weniger Sekunden in einer einzigen Stichflamme verbrennt. Unter gleichen Bedingungen brannten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren hingegen vollständig aus.

Fazit

Das Potenzial der Brennstoffzellen-Technik wird vor allem in der Industrie erkannt und gefördert – der Einsatz in PKW lässt hingegen noch auf sich warten. Problematisch gestaltet sich der hierzulande schleppende Ausbau erneuerbarer Energien; 2019 sanken die Investitionen in diesem Bereich um 30 Prozent. Ohne Ökostrom sind auch die lokal klimaneutralen Brennstoffzellen-Autos – ebenso wie die anderen E-Autos – keine klimafreundliche Alternative. Für eine echte Energiewende in der Automobilindustrie müssen die Versäumnisse der letzten Jahre nachgeholt werden, damit das Potenzial der zur Verfügung stehenden, umweltfreundlichen Technik vollwertig ausgeschöpft werden kann.

Nach den Exkursen in die alternativen Antriebstechniken wird der nächste Blogartikel das Fuhrparkmanagement in den Blick nehmen und dabei rechtliche und finanzielle Fragen aufgreifen.